Nachruf Mari

 

Es hat nicht lang gedauert, da kam aus Spanien die Anfrage, ob ich eine wohl schon ältere Katze nehmen könnte, die gesundheitlich angeschlagen ist und mit anderen Katzen nicht klarkommt, weshalb sie in einem Bad wohnt. Es bestand der Verdacht, das sie von einem Hund angegriffen wurde, nachdem man sie schwer verletzt in Spanien gefunden hatte. Ihr Bauch war aufgerissen, ihr Brustbein durchgebrochen und sie war mehr tot als lebendig, aber die Spanier wollten sie nicht aufgeben und haben sie operieren lassen. Kurz nach der Op stellte man fest, das sie als Nachwirkung von ihrem “ Unfall “ eine vereiterte Gebärmutter hatte, also musste sie nochmal unters Messer und die Gebärmutter entfernt werden, ebenso wurden ihr in zwei Sitzungen alle Zähne gezogen, da die Entzündung im Mäulchen nicht in den Griff zu bekommen war . Sie hatte so viel mitgemacht…obendrein hatte sie Katzenschnupfen und ihr Sehvermögen war eingeschränkt, einfach ein Häufchen Elend…und sie tat mir so leid, also lies ich sie kommen. Wenn Sie in Spanien eh allein in einem Bad hockte, konnte sie hier wenigstens eine ganze Wohnung haben, auch wenn ich nicht viel zuhause bin…
Also reiste Mari im März 2021 ein und wurde von einer Bekannten zu mir nachhause gebracht, denn im selben Transport kam ein Kater, den ich nach Thrüringen gefahren hab und für eine Nacht hat sich meine Nachbarin um Mari gekümmert, ich bin am Tag darauf nach einem Kurzbesuch bei meiner Familie wegen Mari direkt zurück gefahren. Da sass sie dann …völlig verrotzt,mürrisch, auf den ersten Blick keine “ schöne “ Katze,  entzündete Ohren, fast blind und ihr kleiner Körper war von den Operationen gezeichnet, sie war am Bauch ganz straff genäht, sie war dünn, schlecht gelaunt und ein Bild des Jammers. 
Mein erster Gedanke war, warum hatte man sie nicht gehen lassen, als sie so schwer verletzt war…aber ganz schnell hab ich registriert, das ganz viel Lebenswillen und Kampfgeist in ihr steckte, auch wenn es sich zunächst dadurch äußerte, dass ich jedesmal eine gefeuert bekam, wenn ich sie anfassen wollte. Das kleine verschrobene Teil war auch noch unfreundlich…und nach ein paar Tagen wusste ich auch wieso, denn sie hatte einen dicken Knubbel an der Hüfte, der aufging und es flossen Blut und Eiter, sie musste Schmerzen gehabt haben. Also ging es ab zum Arzt und wieder eine Narkose und das Ekzem wurde entfernt. Unter der Narkose hab ich sie röntgen lassen, weil ich wissen wollte, wie es um ihr gebrochenes Brustbein steht, das so bleiben musste, weil man sowas nicht richten kann…Eine Rippe hatte sich gelöst und drohte sie von innen zu durchstechen, also einen Termin für eine große OP gemacht und sie erstmal aufwachen lassen aus der Op des Ekzems.
Als ich sie abholte, hatte sie eine Halskrause an, als ich beim Tierarzt vom Parkplatz gefahren bin schon nicht mehr, sie hat sich das Teil einfach über den Kopf gezogen…was Mari nicht wollte, wollte sie eben nicht.
Zum Glück war sie ein guter Patient, der nicht an die Wunde ging und so durfte sie ohne Kragen laufen , das Eincremen der Wunde hat mit List und Tücke geklappt, wenn ich sie quasie mit der Creme überrascht habe. Dabei hab ich festegstellt, das Anschleichen viel zu einfach ist , weil sie offenbar auch noch schwer hört…Da sie sich auch immer wieder an den Ohren gekratzt hat, war das unser nächster Termin beim Arzt und die Ohren waren total entzündet, also gab es Tropfen… ich hab es ihr nicht leicht gemacht, mich zu mögen, unsere ersten Wochen bestanden mehr oder minder nur aus Arztbesuchen…
Nach der großen Rippen-OP, die wir zu Maris Sicherheit in der Klinik haben machen lassen ( unter erschwerten Corona Bedingungen, es war derzeit nicht einfach überhaupt OP-Termine zu bekomen ) , hab ich sie nach der Arbeit abgeholt und sie saß halb wach in einem winzigen Body samt viel zu großem Kragen ( sie wog damals keine 3 Kilo ) in Ihrer Box und hat mich aus ihren dunklen , fast blinden Augen nicht gerade erfreut angeschaut, mir graute es vor der Nachsorge von diesem resoluten Persönchen. Zuhause hab ich ausgenutzt, dass sie noch leicht angeschickert war und hab ihren Kragen gegen einen Softkragen aus Stoff im Donut Design getauscht, damit sie es ein wenig bequemer hat und als erstes wankte diese kleine tapfere Katze im Body mit Donut um den Hals auf ihr Katzenklöchen…mich hat das so gerührt, sie hatte eben einfach ihre Prinzipien und ihr Kampfgeist und Ihre Beharrlichkeit waren einfach bewundernswert und nach und nach hat sie sich damit in mein Herz geschlichen. Nach den beiden OP´s ging es ihr endlich besser, sie hat brav jeden Tag all die homöopatischen Sachen genommen, die ich ihr ins Essen gemischt hab für ihren chronischen Katzenschnupfen, sie hatte guten Appetit und als sie begann, sich hier zu entspannen, ihre Umgebung neugierig zu erkunden, das erste Mal Sonne auf dem Balkon zu genießen und immer eingekringelt wie eine kleine Mohnschnecke zu schlafen, ist mir das Herz übergelaufen vor Rührung, das diese kleine geschundene Seele nun endlich mal in Sicherheit leben kann.
Als sie das erste Mal nachts in mein Bett kam wußte ich nicht, wie das ausgeht, da ich schon genug Backpfeifen von ihr gefangen hatte und ich hatte ein wenig Bedenken, ob sie das nicht missversteht, wenn ich mich im Bett umdrehe, aber sie hat mir mehr und mehr vertraut und sich nur schnurrend an mich gekuschelt eingerollt und geschlafen. So unglaublich das klingt, nach 20 Jahren eigenen Katzen, war sie die erste , die im Bett bei mir geschlafen hat . Wenn ich abends mal TV geschaut hab, hat sie es sich neben mir auf dem Sofa gemütlich gemacht und sobald ich mich abends bettfertig gemacht hab, ist sie schon ins Bett gehüpft und hat mich schon erwartet und jede Nacht bei mir geschlafen.
Da mein Teilzeithund sie gar nicht störte, sie aber vor Fremden und besonders Männern große Angst hatte, haben wir die Theorie vom Hundebiss verworfen und ich bin überzeugt, das sie von Menschen misshandelt wurde in Spanien.
Sie war eine Straßenkatze, eine von unzähligen auf Spaniens Straßen, die sind nirgends gern gesehen sind, in einem Land wie Spanien schon gleich gar nicht… da muss man schon großes Glück haben, auf Menschen zu treffen, die sie nicht verjagen…Niemand weiß, wie alt Mari war, wie lang sie ein entbehrungsreiches und gefährliches Leben voller Hunger, ohne medizinische Hilfe auf der Straße gelebt hat, wieviele Kinder sie bekommen musste , allein irgendwo im Dreck…ob sie alle durchbekommen oder viele sterben sehen hat, denn als sie bei unseren Tierschutzfreunde vor Ort verletzt eingeleifert wurde, war sie unkastriert …und ob sie zu der Zeit auch schon fast blind war oder das durch ihre Misshandlungen kam …sie muss einen täglichen Kampf ums Überleben geführt haben und in einem unachtsamen oder vielleicht auch nur grenzenlos erschöpften Moment wurde sie Opfer eines Unfalls oder einer Musshandlung, wir werden nie erfahren, was dieses kleine 3 Kilo Kätzchen alles ertragen hat. Sie hatte einfach allein dafür meinen tiefsten Respekt und das sie mir irgendwann dennoch vertraut hat, war ein ganz großes Geschenk. 
Mari hat dann auch eine liebe Patin gefunden, die ihr mit monatlichen Spenden ermöglicht hat, alle vier Wochen Solensia zu bekommen, was für ihren kleinen geschundenen Körper eine Wohltat war, Danke liebe Ilona dafür von ganzem Herzen . Zum Glück konnte ich Mari immer gut in die Transportox schieben ( hochheben ging Zeit Ihres Lebens nicht wegen dem gebrochenen Brustbein ) und die regelmäßigen Tierarztbesuche hat sie mit Bravour gemeistert . Wir wurden schon an der Tür mit Namen begrüßt, so oft wie wir da waren und Mari hatte sogar eine Lieblingsschwester Laura, bei der sie immer ganz brav war . Danke an Praxis Dr. Blendinger für die immer freundliche Behandlung und das Mari immer so genommen wurde, wie sie ist und man immer alles für sie gegeben hat, auch wenn sie eine kleine Dauerbaustelle war. 
Leider ging es mit Ihrer immer fragilen Gesundheit im Juni diesen Jahres begab, sie schien orientierungslos, wurde unsauber , fand ihre Näpfe nicht mehr und da sie meine 4. Seniorenkatze war, hatte ich einen Verdacht… 
Ihre Nierenwerte waren immer grenzwertig und oft geht gerade bei älteren Katzen hoher Blutdruck damit einher, der unbehandelt große Probleme machen kann , daher ich hab einen Termin zum Blutdruck messen und großen Check inclusive Blutbild und Röntgen ausgemacht, da sie auch manchmal gehustet hatte. Das Blutbild war bis auf die leicht erhöhtten Nierenwerte erfreulich, der Blutdruck wie ich befürchtet hatte zu hoch und leider war da auch ein Schatten in der Lunge.
Wir haben dann Blutdruck senkende Mittel verschrieben bekommen und beim ersten Kontroll- Blutdruckmessen nach 14 Tagen war dieser schon gefallen, aber insgesamt immer noch zu hoch , also haben wir die Dosis verdoppelt und für Ende Juli einen neuen Kontrolltermin ausgemacht. Ich war noch guter Dinge, da es ihr mit den Medikamenten ganz schnell wieder so viel besser ging. Sie fraß wieder , fand den Brunnen toll, den ich ihr gekauft hatte, damit sie ihn vielleicht hört, wenn sie ihn schon nicht sieht und sie ging wieder brav auf ihr Katzenklo. Für Ende August stannt ein ein Kontrollröntgen der Lunge an und leider auch der Verdickungen an der Milchleiste…beides zusammen verhieß nichts Gutes, aber da eine OP bei ihrem durch die vorherigen OP´s schon so extrem gestrafften Bauch nicht machbar war, haben wir gesagt, wir überwachen das ganze und schalten dann ggf. eine paliative medikamentöse Behandlung dazu. 
Obwohl es ihr mit den Blutdrucksenkern wieder so gut ging ab Anfang Juli, sie gut gefressen hatte und wieder ganz “ die Alte “ war, ging es plötzlich Mitte Juli von heut auf morgen bergab…sie wollte kaum, bis gar nichts fressen, egal, was ich ihr kedenzt habe, das ging von Sahne über Lachs, Hühnchen, Thunfisch, alle Futtersorten….nichts wollte sie essen. Da sie schon immer so eine zarte Katze war, war sie mit dem daraus resultierenden Gewichtsverlust bald nur noch ein dünnes Klappergestell. Ich wollte ihr daher Stress sparen und habe 3 mal den mobilen Arzt in einer Woche kommen lassen und wir haben alles versucht was ging, aber sie wollte oder konnte nichts mehr essen, baute immer mehr ab und atmete zunehmend schwerer. Der vierte mobile Arzttermin war ihr letzter, ich konnte nichts mehr für sie tun und musste sie gehen lassen. 
Es ging ganz schnell, ihr kleiner Körper war einfach fertig und konnte all die Nachwirkungen ihres Lebens und ihrer Erlebnisse als Straßenkatze nicht mehr kompensieren…direkt nach der 2.Spritze hat ihr kleines Kämpferherz aufgehört zu schlagen…sie ist in meinen Armen eingeschlafen … und mein Herz ist gebrochen.
2 Tage nach dem 17. Geburtstag der Katzenherzen und 3 Tage vor meinem eigenen Geburtstag.
Ich hatte dieses eigensinnige, zauselige, sture kleine Kätzchen so lieb, ich hatte so einen großen Respekt vor Ihrem Kampfgeist und ihrem Lebenswillen, davor, was sie alles ertragen hatte und das sie Menschen doch verziehen hat..
Sie war der lebende Grund, warum es die Katzenherzen gibt und warum sie tun, was sie tun, in einem Land wie Spanien, das wir so gern bereisen und das so schlimm zu Tieren ist…und zwar so schlimm, das ich von lieben Menschen sogar während ihres Urlaubes um Hilfe vor Ort gebeten werde ( und die in ihrem Urlaub anfangen vor Ort zu kastrieren, weil sie es nicht mit ansehen können ) …Mari ist der Grund, warum ich mich aufraffe und weitermache, obwohl ich so müde bin…
müde davon, was wir sehen und aushalten müssen, was Menschen Tieren antun, müde von den Wänden gegen die ich laufe, nun auch in Deutschland bei unserer Kastrationsaktion,die mich schon den kompletten Sommer gekostet hat, jeden einzelnen Abend oft bis tief in die Nacht und es ist kein Ende in Sicht, weil wir in unserem Tun so viele Hürden zu überwinden haben, die da gar nicht sein sollten, müde davon, dass für das, was Tieren angetan wird nie eine auch nur annähernd gerechte Strafe verhängt wird, müde von Gemenschel, von zuwenig Helfern, müde davon, das meine Kolleginnen sich allesamt aufreiben um zu helfen, müde von Ämterwahnsinn,von bergeweise Auflagen für Vereine und null Sanktionen gegen Vermehrer….müde davon, dass der Tierschutz so schwer und teuer ist wie noch nie….müde davon, das mein Privatleben auch nur nimmt und nichts zurück gibt….so müde, einfach so unglaublich müde…und man findet wegen all dem dann doch keinen Schlaf…aber Katzen wie Mari, die sonst keine Chance hätten, denen sonst niemand hätte helfen können, die sonst hätte sterben müssen oder einfach elend irgendwo verreckt wäre- solche Katzen sind der Grund, warum ich weitermache – warum wir weitermachen …und Menschen wie ihr, die nicht wegsehen, sondern die so gut sie können helfen mit Spenden, Patenschaften oder indem sie einem kleinen Katzenherzchen ein Heim geben- ihr alle seid der Grund, warum wir zusammen es möglich machen können, solchen armen Seelen zu helfen, ein bischen gut zu machen, was ihnen angetan wurde…
Eure treue Unterstützung in welcher Form auch immer macht es uns möglich Katzen zu helfen und jede einzelne von ihnen hat diese Hilfe so verdient und jedem Einzelnen von Euch mehr denn je dafür ein Danke aus tiefstem Herzen…
Ich hoffe so sehr, dass Mari ihre Zeit bei mir ein wenig genießen konnte, auch wenn sie mich viel zu oft entbehren musste, weil ich oft für andere Katzen unterwegs war, die auch Hilfe brauchten. Das Gute an unserer gemeinsamen Zeit war, das ich “ dank Corona “ 2021 komplett und einen Teil von 2022 im Homeoffice war und auch danach noch 2 Tage in der Woche von zuhause arbeiten konnte. Ich hoffe, sie hat gefühlt, das sie ein Zuhause hat, in dem sie sicher, geborgen und willkommen ist und wo man sie ganz ganz doll lieb hatte.
Mari, du warst eine unglaublich starke kleine Katze mit einer ganz großen Persönlichkeit und du warst so wie du warst ganz, ganz toll ! Es ist so traurig, dass du nur etwas über zwei Jahre bei mir sein konntest, ich hatte dich eigentlich für die nächsten Jahre fest eingeplant in meinem Leben, ich dachte, du kannst einfach alles schaffen, aber dein kleiner Körper war einfach irgendwann am Ende seiner Kraft, weil du ein Leben lang kämpfen musstest…
Du fehlst mir so sehr…Ich hoffe, da wo du nun bist tut dir nichts mehr weh und du kannst Dein Leben sorgenfrei und ohne Schmerzen bis in alle Ewigkeit genießen.
Wir sehen uns wieder, hab dich ganz doll lieb.